Vom Triathlon fürs Leben gelernt

Im Surfkurs mit Tiefgang frage ich meine Kurs-Teilnehmer:innen regelmäßig, was sie vom Surfen fürs Leben gelernt haben. Über meine eigenen „Lessons to be learned“ habe ich sogar ein Buch geschrieben.

Seit 9 Monaten mache ich jetzt auch Triathlon. Das regelmäßige Training ist durch die Corona-Pandemie in mein Leben gekommen. Mit einem längeren Mittagsspaziergang wollte ich die wegfallenden Wegzeiten des Alltags ersetzen. Bald wurde aus Gehen Joggen und weil ich die öffentlichen Verkehrsmittel mied, stiegen auch die Fahrradkilometer von ganz allein. Als die Schwimmbäder wieder öffneten, musste man lange Zeit zur Wahrung der Abstandsregeln limitierte Zeittickets buchen und ich genoss die herrlich freien Bahnen.


Irgendwann packte mich der Ehrgeiz. Ich habe kein besonderes Talent für Ausdauersport und werde in meinem Leben wohl auch keinen Iron(wo)man antreten. Eine olympische Distanz (1500m Schwimmen, 40 km Rad und 10 km Laufen) erscheint mir aber schaffbar und ist mein aktuelles Ziel — auch wenn meine Zeiten und Leistungen noch bei weitem nicht wirklich wettkampftauglich sind. Trotzdem bin ich schon nach wenigen Monaten Training in der Form meines Lebens, obwohl ich nie unsportlich war. Aber es geht mir gar nicht nur um die körperliche Leistung. Natürlich freue ich mich über jeden Trainingserfolg und möchte besser, stärker und schneller werden, aber im Triathlon entdecke ich ähnlich wie beim Windsurfen eine Dimension, die weit über die sportliche Betätigung an sich hinausgeht. Ich merke zunehmend, wie Erfahrungen aus dem Triathlon-Training Einfluss auf meine Sicht der Dinge nehmen und Teil meiner Lebenseinstellung werden.

 

Was also habe ich bisher „vom Triathlon fürs Leben“ gelernt?

Zuerst einmal stelle ich ganz nüchtern fest:
1) Ich fühle mich einfach körperlich gut und bin emotional ausgeglichener.

2) Ich schlafe besser.
3) Ich verlasse regelmäßig meine Komfort-Zone und überschreite Grenzen.

4) Ich bin stolz auf meine Erfolge. Das stärkt mein Selbstwertgefühl.

5) Mein Schweinehund schweigt, denn es geht nicht mehr um die Frage, OB ich trainieren gehe, sondern WAS auf dem Trainingsplan steht.

 

Schwimmen ist ein wahres Multitalent. Die Bewegung im Wasser schult Koordination, Muskelkraft und Ausdauer. Eine gleichmäßige Atmung und die rhythmischen Schwimmzüge wirken beruhigend. Schwimmen schmeichelt also Körper und Psyche gleichermaßen. Die Schwerelosigkeit im Wasser sorgt für Entspannung, die Bewegung überfordert nicht, man fühlt sich nicht so schnell erschöpft, hat selten Muskelkater und das Verletzungsrisiko ist gering. Und vor allem ist das Eintauchen in das Element Wasser für mich jedes Mal ein besonderer Moment. Mit dem Kopf unter Wasser bin ich ganz schnell ganz bei mir.

 

Radfahren ist ein sehr gelenkschonendes Training mit einer gleichmäßigen zyklischen Bewegung. Sie hat ebenfalls eine beruhigende und entspannende Wirkung, vor allem wenn die Strecke durch die Natur führt. So wird manche Tour zu einer Art Meditation. An das Rennrad musste ich mich erst gewöhnen, aber inzwischen liebe ich das Tempo des „Asphalt-Surfens".

 

Laufen bringt in Bewegung - in jeder Hinsicht. Laufen löst die Anspannung des Tages und baut die Stresshormone ab. Außerdem regt es die Gehirntätigkeit einerseits an, fördert die Kreativität und man kann den Gedanken einfach mal „freien Lauf“ lassen. Andererseits arbeiten gewisse Regionen im Gehirn offenbar nicht so effizient wie sonst üblich, so dass man beim Laufen im wahrsten Sinne des Wortes „einfach mal abschalten" kann.

 

Was mich begeistert, ist die Trainingsroutine, die durch die verschiedenen Disziplinen zugleich so abwechslungsreich ist. Ich genieße es, draußen in der Natur zu sein, auch bei ungemütlichem Wetter, und immer wieder neue Routen, Wege und Orte zu entdecken. Ich spüre den täglichen Ausgleich zur Kopfarbeit und den damit verbundenen Stressabbau. Und es tut mir gut, während des Trainings ganz mit und bei mir zu sein. Ich lerne, mich auf eine Sache zu konzentrieren, besonders durch die Wiederholung bestimmter Bewegungsabläufe mit hoher Aufmerksamkeit. Geduld und Durchhaltevermögen sind große Herausforderungen für mich, aber ich lerne beim Triathlon, dass es Sinn ergibt, dem zu folgen, was auf dem Trainingsplan steht, dass ich dem Prozess vertrauen darf und dass kleine Schritte zum Erfolg führen. Und dass es nicht sinnvoll ist, immer alles zu geben, sondern dass Regeneration das eigentlich Wichtigste am Training ist. In der Ruhephase passt sich der Körper an.

 

Durch das Triathlon-Training wächst langsam die Gewissheit in mir, dass ich nicht nur sportliche Ziele mit keinen Schritten und Durchhaltevermögen tatsächlich erreichen kann. Und eine leise Stimme sagt mir bei jedem Training, dass sich der Aufwand und die ganze Anstrengung lohnt. Nicht für irgendwas, sondern allein für mich.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Wolf-Dieter (Dienstag, 09 August 2022 13:51)

    Danke für deine Gedanken. Sie beschreiben ganz gut, was ich vor rund 35 Jahren empfunden habe, als ich neben Fussballspiele Langstrecke lief und für meinen einzigen Marathon trainierte.
    Auch zwischendurch habe ich die Erfahrung immer wieder machen dürfen, auch wenn ich mir heute oft zu wenig regelmäßige Zeit für sportliche Abschaltmomente nehme ��